Für den zweiten Wechsel brauchte ich etwas länger als für den ersten. Zum einen musste ich ärgerlicherweise ein bisschen warten, bis mein Wechselbeutel gefunden wurde, zum anderen hatte ich im Zelt wie schon beim ersten Wechsel wieder keinen Helfer zur Seite, zum dritten zog ich mich komplett um und zum vierten wollte ich das selbsverschuldete Problem mit der Stoppuhr lösen, also alte Dateien löschen, um Platz zu schaffen für den abschließenden Marathon. Letztlich hat alles zusammen über acht Minuten gedauert, bis ich endlich auf die Laufstrecke kam.
Nun begann also das große Fragezeichen: Wird der angeschlagene Oberschenkelmuskel halten und wenn ja, wie lange? Um es vorweg zu nehmen: Er hielt perfekt und abgesehen von den ersten drei Kilometern hab ich ihn gar nicht mehr gespürt. 🙂
Grundsätzlich hatte ich ja ein wenig Angst vor der Streckenführung mit zwei Wendepunkten. In Frankfurt hatte ich mich auf den überschaubaren vier Runden á 10,5km sehr wohl gefühlt und fand es sehr angenehm, dass man immer mit anderen Athleten unterwegs war, wo es ja auch keine Rolle spielte, ob sie schon eine oder mehr Runden vor mir, in der selben Runde oder auch hinter mir waren. Bei einer 42km langen Runde mit Wendepunkten vermutete ich, dass es erheblich einsamer beim Lauf werden würde. Aber schon auf den ersten Kilometern setzte sich das fort, was beim Rad fahren eher unangenehm war: Es war sehr voll auf der Strecke. Und das sollte auch bis zum Ziel nicht anders werden. Hinzu kam, dass man nach den Wendepunkten auf dem selben Fußweg zurücklief, so dass also auch ständig Leute entgegenkamen, was auch sehr interessant war.
Vom Tempo her lief ich mit einem 5:30er Schnitt los. Ich hätte sicher noch ein bisschen schneller laufen können, aber das war mir etwas ungeheuer. Speziell wollte ich nicht den Fehler von Frankfurt begehen, wo ich sicherlich zu schnell angegangen war. Vom Puls her war’s mit 135 das, was ich mir vorgenommen hatte zu laufen, und so blieb mein Tempo auch sehr konstant. Ich nahm mir vor, dass ich auf der zweiten Hälfte ja immer noch schneller werden könnte, wenn es weiterhin so locker laufen würde. Mentale Unterstützung bekam ich gleich am Anfang von all meinen „Groupies“: Meine Mutter, meine Schwester samt family sowie Sonja, die später auch nochmal bei km 20 stehen sollte.
Meine 10km-Durchgangszeit war dann bei 54:32, danach blieb ich noch bis Kilometer 17 weitgehend konstant und brauchte für die nächsten 10km 55:35. Den Halbmarathon hakte ich dann bei 1:56:05 ab, so dass ich zuversichtlich war, beim Marathon unter vier Stunden bleiben zu können. Das hatte ich mir erträumt und hielt das auch für machbar, sofern alles optimal lief. Es ging dann zwar nicht mehr ganz so optimal weiter – bei 23km war ich das erste Mal bei 6min/km, ohne dass ich dabei aber gelitten hätte. Für die dritten zehn Kilometer benötigte ich dann auch gleich 59:04. Fortan bewegte ich mich auf einem Kurs, der leider auf knapp über vier Stunden hindeutete. Ich hatte zwar den Ehrgeiz, wieder schneller zu werden, aber die Umsetzung war doch recht schwer.
Interessanterweise kippte das dann bei Kilometer 36 wieder. Obwohl ich mich auch vorher zu keinem Zeitpunkt schlecht fühlte oder den Eindruck hatte, übermäßig kämpfen zu müssen, ging es fortan wieder ganz leicht und ich blieb ab 36 beim Kilometerschnitt dann wieder deutlich unter sechs Minuten. Für die vierten zehn Kilometer ergab sich daraus eine Zeit von 57:32. Auf den letzten Kilometern ging es dann durchs Zentrum von Roth, wo am Marktplatz nochmals viele Zuschauer standen und für Stimmung sorgten. Danach folgte noch ein kurzer Anstieg, bevor auch der Zieleinlauf im Triathlonpark in Sicht- und Hörweite lag.
Kurz vor dem Stadion wartete dann meine Schwester mit ihren Kindern, die schon lange den Wunsch geäußert hatten, mit mir über die Ziellinie laufen zu dürfen. Also schnappte ich mir an die linke Hand die Nichte und an die rechte den Neffen und wir liefen gemeinsam die letzten 200m ins Ziel. Der andere Neffe „durfte“ nicht mit, aber er hatte dafür schon die weit größere Ehre, am Nachmittag ganz offiziell mit den ersten drei Männern und den ersten drei Frauen ins Ziel laufen zu dürfen…
Der Zieleinlauf verging dann wie in Frankfurt mehr als schnell. Von den letzten Metern bekam ich gar nicht so viel mit, und auf einmal stand ich da im Ziel. Bevor ich’s richtig mitbekam, hängte mir Chrissie Wellington mit einem „congratulations“ die Medaille um. Ansonsten war’s wie schon den ganzen Tag: Es war megavoll im Zielbereich. Und dieses mal lag es daran, dass die meisten Athleten ihre halbe Familie mit ins Ziel schleppten. Bei Kindern finde ich das ja noch in Ordnung, aber ansonsten hat dort meiner Meinung nach niemand außer den Athleten etwas zu suchen. Hier finde ich, dass die Ordner nicht ganz so kulant sein sollten. Mein Foto mit Chrissie W. hat die Fülle ganz nebenbei bemerkt auch versaut… 😉
Meine Zeit im Ziel betrug letztlich 11:19:18, womit ich natürlich ebenso zufrieden war wie mit dem Marathon, der mir in 3:56:31 gelang. Insgesamt 38 Minuten schneller als in Frankfurt – Zeit, die ich vor allem beim Laufen aufholte. Im Vorjahr benötigte ich für die 42 Kilometer 4:21:03 (Halbmarathon in 2:01:58), wo ich auf dem zweiten Teil ja regelrecht eingebrochen war. In Roth schwamm, fuhr und lief ich von vorn bis hinten ein sehr konstantes Rennen ohne große Tiefen, so dass ich sagen kann, dass es für mich nah dran am perfekten Rennen war. Viel schneller werd ich sowas wohl kaum mehr machen können – außer vielleicht, ich lerne irgendwann noch schwimmen… 😉
Sonja war ja wieder mit Presseausweis bewaffnet und hatte also einen Luxusplatz direkt hinter dem Ziel. Für mich war das wie in Frankfurt sehr angenehm, wenn man so unmittelbar empfangen wird. Hatte ich in Frankfurt noch ein paar (kleinere) Kreislaufprobleme, so ging es mir jetzt sogar richtig gut. Ich fühlte mich erstaunlich frisch und war längst nicht so erledigt wie im Vorjahr. Kurz nach mir kam dann noch ein Vereinskollege ins Ziel, der mit einer Wadenverletzung auf der Laufstrecke schwer zu kämpfen hatte.
Nach einer Weile ging es dann aber doch „backstage“. In Frankfurt gab es dafür wieder Helfer, die einen in den abgesperrten Finisherbereich führten und dort nochmal alles erklärten. In Roth lief es ohne Helfer entsprechend etwas unorganisierter ab, was insbesondere an den Massageliegen für ein gewissen Durcheinander sorgte. Ein weiterer Duschcontainer hätte der Veranstaltung sicherlich auch gut getan, aber da ich keine Zeitnot hatte, war mir das letztlich auch alles nicht mehr so wichtig. Nach Dusche und Massage sowie ausgiebiger Ernährung, die vor allem aus Wassermelone bestand, stürzte ich mich wieder ins „offene“ Getümmel. Wie in Frankfurt blieb ich bis zum Zielschluss dort und feierte auf der Tribüne mit den anderen Athleten und Besuchern die letzten Finisher sowie den gelungenen Tag, der in einem netten Feuerwerk ausklang.
Dummerweise musste man von dort dann noch ein ganzes Stück Fußweg zurück zur Wechselzone auf sich nehmen, wo das Rad und die ersten beiden Wechselbeutel warteten. Ein Shuttlebus sollte dann eigentlich auch Fahrräder zurück zum Schwimmstart transportieren, aber der Anhänger war leider schon voll. Da wir natürlich nicht die einzigen Betroffenen waren, sorgte das für ein bisschen „Tumult„. Wir entschieden uns dann, ohne Rad im Bus mitzufahren, das Auto zu holen und dann eben nochmals zurück zur Wechselzone zu kommen. So gegen eins war ich dann nach einem ausgefüllten Tag im wohlverdienten Bett.